Bergwandergruppe 2007Wie in den fast 20 Jahren zuvor mit positiven Erwartungen an das Wetter in der 1. September -Woche reiste die Spiesheimer Bergwandergruppe in diesem Jahr wieder einmal nach Südtirol. Das ausgewählte Ultental verläuft südlich und parallel zum Vinschgau vom Etschtal mit Meran und Lana bis zum Ortlermassiv, wobei es sich in mehrere Seitentäler verzweigt. Auf die Länge von 30 km bieten sich abwechslungsreiche Landschaftsbilder von gepflegten Weinbergen und dichtem Wald bis zu den Gletscherflächen im Ortlergebiet, am Ende des Tales wo es nicht mehr weiter geht. Ultimo, fertig, Ende, diesem Begriff entstammt der Name des Ultentals. Vom Tourismus zwar schon entdeckt, aber nur für Leute, die gut zu Fuß unterwegs sein können, weil keine Seilbahnen vorhanden sind, die den Weg in höhere Regionen erleichtern. Im Ultental muss alles erwandert werden. So ist es die Regel, dass jede größere Bergtour jeweils für Aufstieg und Abstieg einen Höhenunterschied zwischen 800 und 1.500 Meter auferlegt. Von der 1.240 m hoch gelegenen Hotelunterkunft in St. Nikolaus bis zu den Höhenwegen und Gipfeln von über 2.400 m.

Zum Peilstein auf 2.542 mDer Besuch des Peilstein (2.542 m) ließ bereits am ersten Tag erahnen was die Woche noch so alles bringen wird. Erleichternd wirkte die im Ultental noch geltende Erlaubnis mit dem Auto über einige Wirtschaftswege, manchmal bis auf ca. 1.700 m zu Abstellplätzen zu fahren und von dort aus los zu gehen. So war auch der Aufstieg zum Gipfel des Nagelstein (2.469 m) vom Brunneggsee ausgehend noch eine erträgliche Tour, allerdings bei ziemlich rauem Wetter an den Flanken des Berges. Richtig gefordert wurden dann aber Kondition der Füße und Lunge beim Aufstieg von St. Nikolaus durch das Auerbergtal über die Seefeld Alm bis zum Hohen Spiel (2.345 m) und über einen sehr steilen Abhang wieder in das Tal zurück. Der Weg von Kühen wegen vorzeitigem Abtrieb in Vorbereitung auf schlechtes Wetter völlig aufgeweicht und als Überraschung des Tages noch ein zünftiger Gewitterregen. Glücklicherweise lag da eine Alm am Weg die Unterkunft und Verpflegung bot.

Zum Hochwart 2.627 mAm nächsten Tag war in den Höhen leichtes Schneetreiben und schlechte Sicht wovon im Tal nur wenig zu bemerken war. Den Ausklang bildete ein Spaziergang oberhalb dem Nachbarort St. Walburg über den Sunnenseitnweg. Ein fast rheinhessischer Ausdruck, da fühlt man sich doch gleich wie zu Hause. Während auf der Nordseite der Alpen und dem Hauptkamm der Winter sich schon mit einigem Schnee ankündigte kehrte für die nächsten Tage im Ultental noch einmal richtig schönes Wetter zurück. So wanderten wir vom Marauntal über die Gampen- und Spitzner Alm bei herrlicher Fernsicht zu den 3.000ern der Texelgruppe, den Dolomiten mit Rosengarten bis rüber zur südlich gelegenen Brenta im Gebiet von Madonna de Campiglio. Anstrengender waren dagegen die steilen Hänge des Hochwart (2.627 m) wobei das Plateau am Gipfelkreuz geräumig und flach war und Ultner Urlärche einen großartigen Tiefblick auf das über 1.400 m tiefer liegende St. Walburg mit dem Zoggler Stausee erlaubte. Ein solcher Anblick lässt das Herz eines jeden Wanderers höher schlagen und ergibt gute Stimmung.

Den verschiedenen Interessen angepasst war der Abschluss geprägt. Während 4 Personen den Tag nutzten um den Gipfel des Hohen Dieb (2.728 m) bei schönem Wetter aber rauer Schneeluft zu besuchen waren andere im Garten der über 2.100 Jahre alten Ultner Urlärchen in St. Gertraud, die mit einem Umfang von 8,20 m und einer Höhe von 28 m ein seltenes Naturdenkmal darstellen. Bei einem vom Sturm geknickten Baum zählte man 2.160 Jahresringe. Der Almabtrieb von verschiedenen Almen rundete den Tag und eine schöne Wanderwoche ab. Für die kommenden Jahre steht schon wieder fest: Südtirol, wir kommen wieder. Das Ziel ist noch nicht ausgesucht, aber es gibt noch viele Pfade zu gehen.
September 2007,
Sigmund Jung

Vor dem berühmten LangkofelDem alljährlichen Ruf der Berge folgend war die Spiesheimer Bergwandergruppe in diesem Jahr im Südtiroler Fassatal mit Stützpunkt in Campitello unterwegs. Umgeben von den berühmtesten Berggruppen der Dolomiten wie Latemar, Rosengarten, Sella, Pordoi, Langkofel und Marmolada. Dieses Mal mit 13 Personen, 3 weniger als die Jahre zuvor wegen einem Krankheitsausfall und zwei waren einige Tage vorher im Kaukasus-Gebirge unterwegs um den Berg Elbrus zu besteigen.

links - Bindelweg,   rechts die MarmoladaÜblicherweise wird der erste Tag zum eingewöhnen genutzt und so ging es auf dem Bindelweg über die Höhen des Col del Cuch mit phantastischem Blick zur Marmolada (3.343 m), der Königin der Dolomiten. Inspiriert mit diesen herrlichen Bildern ging es am folgenden Tag in den weltbekannten Rosengarten, den alten Sagen nach die Zauberwelt des Zwergenkönigs Laurin. Von Vigo die Fassa aus über Ciampedie ging es mit herrlichem 360 Grad Panorama zu Gran Cront, Spiz de la Pope, Rosengartenspitze und Rotwand hinauf zur Preuss-Hütte. Hier teilte sich die Gruppe und vier gingen unterhalb der Vajolet-Türme hoch zur Gartl-Hütte bis zum Santner Pass. Von dort den Santner Klettersteig hinab und durch das Taschner Joch wieder zum Ausgangspunkt zurück. Die anderen nahmen die weite und ständig mit Rauf und Runter versehene Tour an den Hängen der Teissner Spitze, Mugogn und Le Zigolade um zum Treffpunkt zu gelangen.

Bei gleich herrlichem Wetter wie zu Hause im sonnigen Rheinhessen sollte wieder eine etwas ruhigere Route folgen. Ein Rundweg vom Col de Valvacin aus über Sas de Adam und Sela Brunech. Nach allen Seiten Sicht auf die Ein Schneefeld muss überquert werden.umliegenden Bergriesen der Sudtiroler Dolomiten. Wie es aber des öfteren unerwartet vorkommt konnte die Tour erst über einen sehr steilen Grasabhang mit folgendem Steilanstieg beendet werden. Ein kühles Getränk auf der Hütte und ein abschließender Blick in die Runde waren dann die Belohnung für die vorangegangenen Strapazen. Die Halbzeit war schon angebrochen und es war immer noch herrliches Kaiserwetter, wie es besser nicht sein kann. So ging es über Col Rodela zur Langkofel-Gruppe. Mit der Seilbahn hoch zur Langkofel Scharte (2.681 m) und im Abstieg zur Langkofel Hütte (2.253 m). Hier war wieder Trennung angesagt. Während die größere Gruppe über den Friedrich August Weg den Plattkofel umrundete gingen drei Personen über den Schuster Klettersteig wieder hoch zum Gipfel des Plattkofel auf 2.958 m. Wie vereinbart trafen sich alle wieder am Ausgangspunkt in Campitello.

Mit der Seilbahn über die Wolken zum Sas PordoiAm folgenden als letzten schönen Tag vorausgesagt musste es noch unbedingt der Sas Pordoi sein. Die Terrasse der Dolomiten. Von der höchsten befahrbaren Passstraße der Dolomiten (2.239 m) mit der Seilbahn in nur 4 Minuten 700 m aufwärts zum Sas Pordoi auf 2.950 m. Ein eindruckvolles Erlebnis. Ähnlich dem Außenfahrstuhl in einem der Frankfurter Hochhäuser. Die Rundsicht, diesmal von einem der höchsten Berge aus, ist einfach nur überwältigend. Man kann sich kaum losreisen, doch der Weg sollte weitergehen, zum Gipfel des Piz Boé (3.152 m) und wieder zurück. Die verbleibende Tageszeit wurde unter Ausnutzung des auch dort gültigen Tickets mit einem Blitzbesuch auf 2.635 m in die gewaltigen Züge der Marmolada genutzt.. Nach einer Regennacht und schwer einschätzbarem Wetter führte eine bequemere Tour über die Seiser Alm mit Abschluss bei der uns wohlbekannten Familie Stuffer auf Monte Pana oberhalb des Grödner Tales.

Auf dem Hirtzel-WegDer Endspurt unserer Wanderwoche führte vom Karer Pass zur Paolina Hütte (2.125 m) und über den Hirtzel Weg um die Rotwand über den Pass del Vaiolon (2.560 m) und zurück.. Die Attraktion dieses Weges ist das Denkmal Christomannes, ein riesiger 2,70 m großer Bronzeadler zu Ehren eines Bergsteiger Pioniers mit den Felstürmen des Latemar im Hintergrund. Zwei unentwegte Kletterer nutzten auch hier die Gelegenheit und passierten den Gipfel der Rotwand (2.804 m) über den Klettersteig. Insbesondere wegen des hervorragenden Wetters eine unvergessene Woche, die sich nicht so schnell wiederholen und sicherlich kaum noch überbieten lässt.

Vielen Dank an die Organisatoren dieser Wandertage, insbesondere an Edgar Schuch, der für die Vorbereitung und Auswahl der Touren vor Ort viele Stunden seiner Zeit opfert.
September 2006,
Sigmund Jung

Als erstes einen guten SchluckBereits bei einem Zwischenstopp im Städtchen Sierre im Rhonetal konnten wir zufällig die Atmosphäre eines Weinfestes nach Walliser Art erleben. Quartier wurde dann bezogen im Val d'Anniviers in Grimentz, dem wohl schönsten Dorf des Wallis. Wie es der Zufall will war auch hier ein kleines Fest im Gange und wir konnten den Anreisetag in Weinfestlaune ausklingen lassen.

Am Moiry StauseeGuter Dinge durch den stressfreien Vortag wurde als erste Unternehmung der Stausee Moiry angefahren und von dort die Hochgebirgshütte Cabane de Moiry (2.825 m) besucht. Von dort bietet sich dem Bergfreund ein eindrucksvoller Blick auf die Gipfel des Grand Cornier und Dent Blanche sowie den Moiry-Gletscher, der in mehreren Stufen zum Stausee fließt. Beim Abstieg teilte sich die Gruppe wobei einige den Gletscher (siehe Bild weiter unten rechts) überquerten und über den Moränenkamm abstiegen während sich der Rest entlang des Gletscherrandes einen abenteuerlichen Abstieg in den Felsen suchte.

Hoch über St. Luc nach GrimentzEin gutes Stück Ausdauer forderte der 7-stündige Panorama-Höhenweg von St. Luc nach Zinal, wo man ca. 12 km auf der Hochgebirgs-Marathonstrecke (in 2.000 m Höhe) des "Sierre-Zinal Race" geht. Die herrliche Lage des gegenüber liegenden Grimentz war von hier sehr gut zu überschauen. Nach einem sehr steilen Abstieg konnte sich jeder seine Ausdauer mit einem großen Eis oder Stück Kuchen belohnen.

Blick in das ZinaltalEs folgte eine anstrengende Tour von Zinal über die Alpe Combautanne zum Roc de la Vache einem Aussichtsplatz mit herrlichem Blick in das Zinaltal und zum spitzen Zinalrothorn. Drei Wanderer machten an diesem Tag ihre Extratour und stiegen zum Gipfel des Tracuit auf 3.250 m. Dieser wird jedoch so von den umliegenden Viertausendern dominiert, dass man sich eher auf einem kleinen Hügel wähnte als in dieser Höhe. Der sportlich angegangene Abstieg, im weiteren Verlauf noch über eine senkrecht abfallende Felswand mit notwendigen Kletterhilfen, machte den Teilnehmern deutlich wer die bessere Kondition und Kraftreserven diesmal hatte, denn insgesamt waren 900 bzw. 1.600 Höhenmeter an diesem Tag bewältigt worden.

Auf dem Roc d' OrcivalBei gutem Wetter und sehr angenehmen Temperaturen hatten wir mal wieder das Glück eine der schönsten Wochen im ganzen Jahr zu erwischen. Kleidungsstücke für Kälte und Regen waren nicht erforderlich, wurden aber entsprechend einer berggerechten Ausrüstung natürlich immer mitgeführt. So führte uns der Weg der nächsten Wanderung von der Bergstation Grimentz bis zum Roc d'Orcival hoch, wo aus 2.300 m Höhe ein fantastischer Rundblick möglich war. Das wurde sogar noch übertroffen durch die anschließende Gratwanderung über eine ganze Bergkette hinweg wo jederzeit ein weiter Blick in das Val d'Anniviers und das Rhonetal möglich war. In der Ferne zeigte sogar das Matterhorn seine Präsenz.

Nach der Überquerung des GletschersGleichfalls bot sich am nächsten Tag vom gut zu erreichenden Illhorn mit seinem durch einen Felsspalt geteilten Gipfel eine atemberaubende Sicht von mehr als 2.000 m in die Tiefe nach Sierre im Rhonetal sowie hinüber zu den Walliser und Berner Alpen. Vor allem aber in den durch frühzeitliche Einbrüche entstandenen Illgraben, der nur aus bizarren gelb und grün schimmernden Felsen besteht und sich heute noch ohne jegliche Vegetation präsentiert.

Gruppenbild 2005 der Spiesheimer BergwandergruppeAm letzten Tag war noch mal Panorama angesagt, was jedoch wegen der ständig aufsteigenden Nebel nicht so ganz gelang. Der Weg führte von Zinal über Soreboi bis zum Petit Mountet und durch das Tal der Navisence wieder zum Ausgangspunkt. Wenn die umliegenden Viertausender frei zu sehen sind, angeblich eines der schönsten Schaustücke der Alpen. An diesem Tag eher durch die grotesken Nebelschwaden ein Anreiz für Hobbyfotografen einen dieser majestätischen Berge in Nebel eingerahmt auf einem Bild zu verewigen. Wer hier die glücklichere Hand bzw. den besten Blick für solche Schnappschüsse hatte wird beim jährlichen Abschluss beim Bilder schauen entschieden und sicherlich seine Anerkennung finden.

September 2005,
Sigmund Jung

Gut vorbereitet flogen wir, Karl- Heinz Nöth (Spiesheim), Walter Robl (Ensheim) und meine Person, am 11. Januar zum Kilimajaro-Airport nach Tansania in Ostafrika, um von dort aus, sich den lang gehegten Wunsch zu erfüllen: Die Besteigung des größten freistehenden Berges der Erde, des 5.895 m hohen Kilimanjaro an der Grenze zwischen Tansania und Kenia.

Nach 11 Tagen Vortraining und Akklimatisation, unter anderem mit der recht schwierigen Besteigung des Mt. Meru, des fünfthöchsten Berges Afrikas (4.566 m), trat die "Kili-Bezwingung" ab dem 19. Januar in ihre konkrete Umsetzungsphase.

zum Vergrößern hier klickenAuf der anspruchsvollen aber landschaftlich wunderschönen "Machame-Route" beginnt auf 1.600 Meter Höhe eine wahrhaftige sechstägige "Outdoor-Tour", die jedem von uns einiges an Entbehrungen abverlangen wird. Sieben Träger, ein Koch, ein stellvertr. Führer und ein Führer (Guide) helfen mit, dass das Unternehmen gelingt. Es muss alles mit Muskelkraft nach oben geschleppt werden (Zelte, Proviant, Schlafsäcke, Kleidung etc.), weil es weder irgendwelche Lifte, noch irgend etwas zu kaufen gibt. Uns fasziniert die üppig unberührte Vegetation des tropischen Regenwaldes, wo die Natur noch ihr natürliches Gleichgewicht besitzt. Zwischen 2.800 und 3.000 Meter wird die Vegetation immer spärlicher. Man bewegt sich teils durch Moorlandwald, teils durch Baumheiden und Erikaarten. Weiter oben finden wir verschiedene Senecien (einheimische Proteenarten). Ab 4.500 Meter ziehen sich fast nur noch Flechten um die Lavasteine bis auch diese ab 5.000 Meter dem nackten Lavagestein weichen müssen.

Über das Machame-Camp schrauben wir uns mühsam hinauf bis zum Shira-Camp auf 3.800 Meter und nehmen den beschwerlichen Weg über den Lava-Tower (4.590 m) zum Barranco-Camp. Immer näher und größer taucht er vor uns auf, "der Berg der Berge", ein vor allem in sternenklarer Nacht grandioses Schauspiel, welches unvergessen bleiben wird. Vom Barranco-Camp geht es auf knüppelharter Strecke 14 km bei immer stärker werdendem Wind in 6,5 Stunden über das Karangatal zum Barafu-Camp auf 4.540 Meter Höhe. Jetzt befinden wir uns auf der Südostschulter des Hauptberges, unmittelbar am Gipfelstock des "Kibo". Es beginnt die Endphase der Gipfelbesteigung.

Ich selbst habe Magen- Darm-Probleme, Schlafdefizite, leichtes Fieber und einen geschwollenen rechten Fußballen. Aber krank werden gilt hier oben nicht. Der Weg nach unten ist lang und natürlich wollen wir alle auf den Gipfel. Deshalb reiße ich mich zusammen und denke an den "spirit of Afrika" (an den afrikanischen Geist) der hier heißt: "Hakuna Matata", was soviel bedeutet wie: Alles kein Problem, es regelt sich irgendwie.

Am Samstag, den 22. Januar um 23.30 Uhr blasen wir zum Angriff, 1.350 m hinauf auf das Dach Afrikas. Am Anfang kommen wir gut voran. Ich bin dankbar, dass mein angeschlagener Körper noch so gut mit spielt. Doch der Weg wird immer steiler, der Sturm heftiger und die Temperatur fällt mehr und mehr in den Keller. Der Vollmond macht unsere Stirnlampen fast überflüssig. Ab 5.000 m fällt das Atmen merklich schwerer und die Beine werden müde. Seitherige schöne Erlebnisse verwandeln sich zunehmend in einen Kampf gegen sich selbst und gegen diesen übermächtigen Berg. Weiches, nachgebendes Lavageröll reduziert jeden Schritt auf die halbe Länge. Die Hände sind, trotz zweipaar Handschuhe, eiskalt und zunehmend ohne Gefühl. Ich hebe den Kopf und schaue hinauf. Über mir türmt sich in dunkler Nacht noch immer ein riesiges Felsmassiv auf. Es kommen zunehmend Zweifel. Ob es gelingt. Unser Führer James meint, heute sei es zwar besonders schwer, aber wir wären nach seiner Einschätzung stark genug, nur aufgeben dürften wir nicht.

zum Vergrößern hier klickenSolcher Ansporn tut gut und lässt uns weiter an Höhe gewinnen. Inzwischen ist es 3.00 Uhr und wir haben 900 von gut 1.300 Höhenmetern geschafft, knapp 300 Höhenmeter die Stunde. Trinken ist besonders wichtig, weil der Körper unter diesen Belastungen stark austrocknet. Doch es wird Zeit, dass wir bald oben sind, denn meine Trinkvorräte beginnen zu gefrieren. "How far is it" (wie weit noch), zische ich durch meinen schon gefrorenen Schal vor dem Mund hindurch. Noch etwa 200 Meter bis "stella point" (5.748 m), lässt mich James wissen. "Don´t give up" (jetzt nicht aufgeben), schiebt er beschwörend hinter her. Doch immer häufiger müssen wir kurz verweilen, schnappen wir nach Luft und suchen nach neuen Kräften. Jetzt bin ich dankbar für jeden Kilometer der Vorbereitung, jetzt wird aus dem Körper alles abgerufen, was er geben kann. Auch bei Karl-Heinz Nöth und Walter Robl ist das so. Auch sie kämpfen den Kampf gegen die Wand und den inneren Schweinehund.

Plötzlich, für mich schneller als erwartet, ruft James vor mir: "We are at stella point !" (Wir sind am "stella point"). Ich kann es gar nicht so schnell fassen, dass wir schon auf 5.748 Meter sein sollen. Es ist 5.40 Uhr. Wir haben es also in ziemlich genau 6 Stunden bis hier her geschafft. Eine unter diesen Bedingungen gute Zeit, wie James anerkennend feststellt. Bergsteigerisch gilt der Kilimanjaro am "stella point" schon als bezwungen und so mancher kehrt hier um. Von hier aus sind es nur noch relativ flache 148 Höhenmeter bis zum "Uhuru Peak" (Freiheitsspitze), dem höchsten Punkt Afrikas.

Jetzt wird es so langsam hell und ein inneres Glücksgefühl beflügelt uns auf dem letzten Streckenstück. Gegen 6.25 Uhr geht am 23. Januar 2005 bei -12°C am Kilimanjaro die Sonne auf. Ein unbeschreiblicher Moment eines einmaligen Naturschauspieles. Unser Blick geht nach Osten, hinüber zum Mawenzi, dem äußerst schwierig zu besteigenden 5.148 Meter hohen kleinen Bruder des "Kili". Blicken wir nach Westen, so leuchtet uns aus ca. 70 km Entfernung der Mt. Meru entgegen, dieser von hier fast wie ein Hügel wirkende Bergriese, den wir vor 10 Tagen ebenfalls mühsam erklommen haben. Vor uns, tief unten in der Ebene liegt die Halbmillionenstadt Moshi, die nun ebenfalls langsam erwacht und geheimnisvollen Lichterglanz nach hier oben schickt. Zeit und Raum erhalten in dieser Gletscherwelt eine neue Dimension.

"Uhuru Peak", höher geht´s nimmer und natürlich verewigen wir uns an diesem Höhepunkt auf Bildern. Es sind Menschen aus aller Herren Länder, die sich hier oben im Glücksrausch begegnen. Sie alle sind fasziniert von der eisigen Gletscherwelt des größten freistehenden Berges der Erde. Aber es gibt auch viele, denen dieses Glück an diesem Tag versagt bleibt. Beim Abstieg begegnen wir noch weiteren nach oben Strebenden, von denen die meisten den Kampf nicht mehr gewinnen werden. Zu steil ist der Weg und zu beschwerlich sind die Umstände.

zum Vergrößern hier klickenSchon um 9.00 Uhr sind wir als einer der ersten wieder im Barafu-Camp auf 4.600 Meter und fallen müde in unsere Zelte. Der Sturm hat unsere Kleidung und Haare mit Lavastaub durchsetzt und so wollen wir nur noch weiter bergab, so schnell wie möglich zurück ins Hotel, um endlich mal wieder duschen zu können. Auf der Mweka-Abstiegsroute machen wir auf 3.000 Meter lediglich einen kurzen Halt, nehmen einige Früchte zu uns und streichen die hier geplante Übernachtung. Obwohl unsere Füße qualmen, steigen wir im traumhaft tropischen Regenwald weiter hinunter. Es umgibt uns eine Pracht und Stille der Natur, wie wir sie leider bei uns nicht mehr finden können. Ein seltener wunderschöner schwarzer Affe mit riesigem weißen Schweif beäugt uns misstrauisch von einem Baumwipfel.

Nach insgesamt achtstündigem Abstieg sind wir am späten Nachmittag wieder am Eingang des Nationalparks angekommen, ausgelaugt bis auf die Knochen. Wir haben an einem Tag über 6.000 (!) Höhen- und Tiefenmeter bewältigt und das in überwiegend sehr dünner Luft. Obwohl wir, inmitten von neugierigen Einheimischen, noch über drei Stunden auf unseren Rücktransport warten müssen, erreichen wir irgendwann am späten Abend unser 100 km entferntes Hotel. Das Unternehmen Kilimanjaro hat uns alles abverlangt, ist aber erfolgreich zu Ende gegangen.

Februar 2005,
Heribert Erbes

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